"Jetzt bitte ich nur darum, das zu sein, was ich bin." (1:4)
Das klingt wie der Ausdruck meines Willens, wirklich nach Hause zu kommen: Wenn ich denn tatsächlich NUR darum bitte, zu sein, was ich BIN. Wohl nicht permanent, also ohne das Haupt mit Asche zu bedecken, wenn ich mal kurz unterbreche und den Eisverkäufer um ein Eis mit einer Kugel Haselnuss, eine Stracciatella und ... also ich meine, man wird doch wohl seinen Chef auch noch um eine Gehaltserhöhung bitten dürfen, ohne dass die Lektion wirkungslos verpufft, oder?
Mir fallen zwei vermeintlich gegensätzliche Möglichkeiten ein, die Bitte ganz praktisch zu äußern: das bei weitem häufigste Vorgehen, die "via positiva", wendet sich an IHN (meist als "Gegenüber") und formuliert die Bitte - mit Inbrunst? In aller Ehrlichkeit? Mit Überzeugung? Ohne Hintergedanken? Oder das Wichtigste: Erfolgreich? Letzteres ist keine ernsthafte Frage, denn woher "weißt" du, dass die Bitte erfolgreich ist? Wenn deine Vorstellungen erfüllt werden, die du darüber hast, wie es sich "anfühlt", das zu sein, was du bist? Das ist genau der "Haken" bei der "via positiva": Du fügst etwas hinzu, indem sich gerne eigene Vorstellungen, Meinungen, Vorlieben und Bedürfnisse einmischen, die Zweifel an der Ausschließlichkeit der Bitte hinterlassen.
Die andere Möglichkeit, die "via negativa", könnte man auch als die "Kunst des Weglassens" bezeichnen. So hat Michelangelo seine Römische Pietà geschaffen: indem er alles, was nicht Pietà war, entfernte. Das klingt banal, hat aber eine einfache und praktische Konsequenz für die Bitte, um die es hier geht: Nimm alles weg, was nicht die Bitte ist und die Bitte bleibt in ihrer Reinheit und Ausschließlichkeit übrig.
Ich sprach von "vermeintlichen Gegensätzen". Es ist jedoch sinnvoller, von "Ergänzung" zu sprechen. Abstrakt gesprochen: Nimm alles weg, was nicht wahr ist und richte deine Bitte an "DAS", was übrig bleibt. Die "via negativa" wird zum Wegbereiter der "via positiva" - ohne die Fallstricke des vermeintlich "direkten" Weges.
Das war der Ausgangspunkt vor ca. einem Monat für eine Session (zu der mir kein Thema einfiel), um den Frieden zu finden und das zu sein, was ich BIN: "Ich bin, wie du mich schufst." (2:4)
Lege alles weg, was du jetzt nicht brauchst, um du SELBST zu sein, akzeptiere, wo du dein SELBST nicht findest (dazu habe ich in der Session die Metapher von der Welle und dem Meer verwendet) und entspanne dich in den Tiefen deines SEINS. Bis hin zur Verbindung mit dem SEIN jedes Bruders.
"Jetzt will ich Gottes Frieden suchen und auch finden."
